Würdigung und Danksagung

Auf Vorschlag der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften verleiht die
DR. HELMUT UND HANNELORE GREVE STIFTUNG
FÜR WISSENSCHAFTEN UND KULTUR
den Förderpreis an
Frau Dr. phil. Anja Wolkenhauer
Institut für Griechische und Lateinische Philologie, Universität Hamburg

Frau Dr. Anja Wolkenhauer wurde mit einer Dissertation über die Antike in humanistischen Druckerzeichen des 16. Jahrhunderts promoviert. Sie hat in einer umfassenden und musterhaften Untersuchung und Präsentation ein neues Bild von der literarischen und künstlerischen, sozialen und ökonomischen, bildungsgeschichtlichen und kulturellen Bedeutung des frühneuzeitlichen Druckersignets gegeben, das für die Buch-, Kunst- und Wissenschaftsgeschichte ebenso einen Gewinn darstellt wie für die Klassische Philologie und Humanismusforschung.

Hamburg, am 30. November 2001

(Prof. Dr. Helmut Greve) (Dr. h. c. Hannelore Greve)
Stiftungsvorstand

 

Danksagung von Dr. Anja Wolkenhauer

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrtes Ehepaar Greve, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Für die Verleihung des Förderpreises möchte ich mich bei der Joachim-Jungius-Gesellschaft und ganz besonders bei den Stiftern, bei Ihnen, Frau Doktor Greve und bei Ihnen, Herr Professor Greve, sehr herzlich bedanken. Diese Anerkennung bedeutet für mich eine große Ehre.
Zugleich freue ich mich über die Gelegenheit, zwei Mitgliedern der Jungius-Gesellschaft namentlich danken zu können, die mich bei meinen Studien in vielfacher Hinsicht unterstützt haben: Herrn Professor Wolfgang Walter, der mich als Tutor - im vollen Sinne des Wortes - durchs Studium begleitet hat, und vor allem Herrn Professor Walther Ludwig, dessen akademischer Unterricht mein Interesse am Latein der Renaissance geweckt hat und dessen Wissen, Entdeckerfreude und Geduld einen wesentlichen Anteil an meiner Arbeit hatten und haben.
In meiner von Ihnen ausgewählten Dissertation habe ich mich mit dem Buchdruck in der Zeit des Humanismus beschäftigt, genauer: mit den Werbezeichen der Buchdrucker des 15. und 16. Jahrhunderts. Sie alle kennen die modernen Nachfahren dieser Zeichen, etwa die drei ineinander verschränkten Fische des Fischer-Verlags - knappe, einprägsame Chiffren, die vor allem auf den Namen des Verlags Bezug nehmen.
Nicht nur 500 Jahre, sondern ein ganzer Bedeutungskosmos trennen diese Chiffren von dem Zeichen des venezianischen Druckers und Humanisten Aldus Manutius: dem Delphin, der sich um einen Anker windet. In pointierter Weise fügt Aldus die Zeichen des schnellen Handelns (den Delphin) und des nachdenklichen Verharrens (den Anker) zum Sinnbild seines wissenschaftlichen und typographischen Tuns zusammen; lateinisch formuliert: festina lente. Einzelne Details verweisen den humanistisch gebildeten Betrachter bis weit hinein in die griechische und römische Historiographie, zu den (pseudo)ägyptischen Hieroglyphen und in die Literatur der Renaissance.
Aldus und den späteren humanistischen Druckern ging es offenbar nicht so sehr darum, daß sich alles auf einen Blick, quasi von selbst erklärt, sondern sie suchten das genaue Gegenteil: Die älteste Werbung der Neuzeit bemühte sich um Verrätselung und damit um Langsamkeit, um Intensität. In seiner Bildung herausgefordert sollte der Betrachter den Bildern und Texten Bedeutungen zuweisen, Interpretationen wagen und wieder verwerfen. Was konnte für dieses gelehrte Spiel geeigneter sein als der Bildungsvorrat der griechischen und römischen Antike, der so viele Erzählungen von Glück und Erfolg und harter Arbeit bereithält?
Aus der Perspektive der Frühneuzeitforschung bedeutet das: anhand dieser Zeichen kann man für eine meinungsbildende Bevölkerungsgruppe untersuchen, wie das Wissen um die antike Kultur im 15 und 16. Jahrhundert beschaffen war, wie man damit umging und zu welchen Zwecken es eingesetzt wurde - wenn man die Zeichen selbst erst einmal selbst enträtselt hat (und das ist keine geringe Herausforderung).
Mit meiner Arbeit habe ich den ersten kritischen Katalog dieser frühen Druckerzeichen vorgelegt. Ihre Analyse führt bis weit in die Bildungs- und Sozialgeschichte, ins Buchwesen und in die Ikonologie auf den Spuren Aby Warburgs; ihre Basis aber liegt unverrückbar fest in der Kenntnis der alten Sprachen und der durch sie vermittelten antiken Kultur.
Mir liegt es am Herzen zu zeigen, daß unsere "alte" Wissenschaft durch die ihr immanente Notwendigkeit, mit unterschiedlichsten Texten umzugehen, eine Begabung zur Interdisziplinarität entwickelt hat, die sie höchst konstruktiv in viele verschiedene Wissenschaftsbereiche einbringen kann. Ich freue mich darauf, nach meinen Kräften und mit Ihrer ideellen und materiellen Unterstützung, auf diesem Weg - auf dem Weg einer interdisziplinär orientierten Latinistik - weitergehen zu können.

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