Würdigung und Danksagung

Auf Vorschlag der Joachim Jungius-Gesellschaft der Wissenschaften verleiht die
DR. HELMUT UND HANNELORE GREVE STIFTUNG
FÜR WISSENSCHAFTEN UND KULTUR
den Förderpreis an
Herrn Dr. med. Uwe K. Zettl
Medizinische Fakultät, Universität Rostock


Herr Dr. Uwe K. Zettl habilitierte sich an der Medizinischen Fakultät der Universität Rostock mit einer Arbeit über „Experimentelle Untersuchungen zur Prozeßdynamik bei zellulär-immunmediierten Erkrankungen des Nerven- und Muskelsystems", in welcher er aufgrund umfangreicher Untersuchungen nachweisen konnte, daß die durch T-Lymphozyten, aber auch durch Parenchymzellen vermittelte Apoptose einen wichtigen zentralen Reaktionsmechanismus bei neuritogenen und enzephalitogenen Erkrankungen des Zentralnervensystems darstellt, so daß die Klärung molekularer Mechanismen des Apoptose-Prozesses neue Wege der Therapie eröffnet.

Hamburg, am 20. November 1998

(Dr. Helmut Greve) (Hannelore Greve)
Stiftungsvorstand

 

Danksagung von Dr. Uwe K. Zettl

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrtes Ehepaar GREVE, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Mit großer Freude habe ich vor gut einer Woche die Nachricht erhalten, daß ich in Würdigung meiner wissenschaftlichen Arbeiten heute mit dem Förderpreis der „Dr. Helmut und Hannelore Greve Stiftung für Wissenschaften und Kultur" ausgezeichnet werden soll. Ich betrachte es als große Ehre, in dieser Form durch die Joachim Jungius-Gesellschaft und die Stiftung des Ehepaares GREVE gefördert zu werden, und möchte Ihnen dafür meinen herzlichen Dank sagen. Mein ganz besonderer Dank gilt an dieser Stelle auch den Professores REINER BENECKE und HANS MEYER-RIENECKER (Rostock) sowie KLAUS-VOLKER TOYKA (Würzburg), die meine wissenschaftlichen Arbeiten angeregt und über viele Jahre kontinuierlich gefördert haben.
Die von mir verteidigte Habilitationsschrift mit dem Titel „Experimentelle Untersuchungen zur Prozeßdynamik bei zellulär-immunmediierten Erkrankungen des Nerven- und Muskelsystems" ist inzwischen studienbezogen in Form von 11 wissenschaftlichen Publikationen in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht worden.
Bei den untersuchten Krankheitsbildern wie der Multiplen Sklerose und den Polyradikuloneuritiden handelt es sich um Autoimmunerkrankungen des menschlichen Organismus. Bei diesen Erkrankungen kann das Immunsystem insbesondere die Lymphozyten nicht mehr zwischen körpereigen und körperfremd unterscheiden. Konsekutiv greifen autoreaktive Immunzellen selektiv körpereigene Strukturen an.
Bei der Manifestation von Autoimmunerkrankungen im Nervensystem ist ein ganz besonderes Szenario gegeben, da das Nervensystem im Gegensatz zu den an-deren Organen durch die Bluthirn- bzw. Blutnervenschranke vor dem direkten Zu-griff vieler Komponenten des Immunsystems, u.a. den Lymphozyten, geschützt ist.
Aus dem klinischen Alltag ist bekannt, daß die Erkrankungen sich bei einem Teil der Patienten als schubförmig, also phasenweise selbstlimitiertend, und bei einem anderen Teil als chronisch-progrediente Krankheitsaktivität manifestieren.
Ausgangspunkt unserer experimentellen Untersuchungen war die Frage nach der Prozeßdynamik, d.h. wo und wie werden die Autoimmunzellen aktiviert, in welcher Dynamik gelangen sie in das Nervensystem, und über welche Mechanismen werden sie – beispielsweise am Ende eines Krankheitsschubes – wieder eliminiert?
In der Zusammenschau der experimentellen Ergebnisse konnte gezeigt werden, daß die Aktivierung und Eliminierung der autoreaktiven Lymphozyten im Krank-heitsprozeß räumlich voneinander getrennt ablaufen. Während die Aktivierung dieser Zellen in Immunorganen wie den Lymphknoten und der Milz außerhalb des Nervensystem stattfindet, werden die autoreaktiven Lymphozyten im Nervensystem selbst eliminiert. Diese Erkenntnis hat neben dem besseren Verständnis der Pathogenese vor allem für eine gezielte Therapieplanung praktische Bedeutung.
Fokussiert man den Aspekt, wie die autoreaktiven Immunzellen im Nervensystem eliminiert werden, so konnten wir erstmals zeigen, daß der selektive Zelltod via Apoptose hierbei der entscheidende Mechanismus ist. Beim Zelltod durch Apoptose kommt es im Gegensatz zum Zelltod durch Nekrose zu keiner Freisetzung von hochreaktiven Zellinhaltsstoffen wie Proteasen und Sauerstoffradikalen, die das Nervensystem sekundär schädigen. Die apoptotisch sterbende Zelle teilt sich in apoptotic bodies, die durch Phagozyten, die sogenannten Freßzellen, innerhalb von Stunden schonend beseitigt werden.
Durch in vivo-Studien konnten wir zeigen, daß die Elimination der autoreaktiven Lymphozyten im Nervensystem in direktem Zusammenhang mit dem Beginn der Rekonvaleszenz steht.
Heute wissen wir, daß der Apoptoseprozeß auf molekularer Ebene von einer sehr komplexen Enzymkaskade gesteuert wird, die wir erst ansatzweise verstehen. Klar zeichnet sich aber ab, daß diese Kaskade durch Apoptose-induzierte bzw. -protektive Proteine moduliert wird.
So fanden wir bei Patienten mit chronisch-progredientem Krankheitsverlauf der Multiplen Sklerose sehr hohe Werte für das vor Apoptose schützende Protein Bcl-2 (B cell lymphoma gene product 2) in den Immunzellen, während Patienten mit schubförmiger Verlaufsform, wo sich der Autoimmunprozeß phasenweise selbst limitiert, geringe Bcl-2-Werte und hohe Apoptoseraten der Immunzellen zeigen. Diese und weitere Befunde legen die Vermutung nahe, daß das Apoptose-protektive Protein Bcl-2 die Persistenz der Autoimmunzellen im Nervensystem ermöglicht und somit die klinische Verlaufsform triggert.
Gelingt es, aufbauend auf den bisherigen Ergebnissen den molekularen Mechanismen des zellspezifischen Apoptoseprogrammes in den autoreaktiven Immunzellen aufzudecken, wäre dies ein neuer Ansatzpunkt für eine hocheffektive und gezielte Therapiestrategie bei Autoimmunerkrankungen des Nervensystems zum Wohle unserer Patienten.
Nochmals herzlichen Dank für die hohe Auszeichnung sowie Ihre Aufmerksamkeit.

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