Burkhart Bromm / Kurt Pawlik
Neurobiologie und Philosophie zum Schmerz
Veröff. der Joach. Jungius Ges., Nr. 97, 167 Seiten, kart.,
(ISBN 3-525-86326-8), 28,90.
Wenn auch jeder weiß, was Schmerz ist, bleibt dennoch
diese lebensentscheidende "Gefühlsempfindung" kaum
zu begreifen. Wohl kennen wir heute die Nervenbahnen und biochemischen
Mechanismen, die die Schmerzbotschaft aufnehmen und in Richtung
Gehirn weiterleiten; wir wissen um die vielfältigen Verschaltungen
in Rückenmark und subkortikalen Strukturen, die zu Abwehrreaktionen
führen, um das schmerzende Glied rasch aus der Gefahr zu
bringen, und vegetative Begleiterscheinungen auslösen, wie
Schwitzen, Herzjagen, Änderung der Herzaktion, Übelkeit.
Schmerz aber ist mehr, er ist nicht nur Teil, sondern Modulator
unseres Bewusstseins, unseres Ichs. Ohne Bewusstsein gibt es keinen
Schmerz; das zeigt schon die Narkose. Ohne Schmerz jedoch gibt
es kein bewusstes Begreifen: Erst durch den Schmerz erfassen wir
unsere Umwelt; Schmerz öffnet unser Gedächtnis; Schmerz
zwingt uns Verhalten auf, formt unsere Persönlichkeit.
Es ist das Ich, das die kortikale Schmerzreaktion abtastet, ihre
Bedeutung für den Organismus evaluiert und - bedingt durch
Erfahrung, soziokulturellen Hintergrund und Strategie - die Schmerzstärke
definiert. Damit führt die Untersuchung des Phänomens
Schmerz auf das Körper - Seele Problem, seit jeher die größte
Herausforderung an das Denken überhaupt: Wie wird elektrische
Aktivität in umschriebenen Hirnarealen, heute leicht objektivierbar
mit nichtinvasiven Techniken, zu einer subjektiven Erfahrung,
die reziprok wiederum die Schmerzbotschaft moduliert?
Im vorliegenden Tagungsband kommen aus dem Sichtwinkel der Schmerzentstehung
und Schmerzbewältigung neurobiologische, psychologische und
philosophische Aspekte von Persönlichkeitsentwicklung und
Lernverhalten ebenso zur Sprache wie volkswirtschaftliche, finanzielle
und soziale Faktoren, die das Verhalten des Einzelnen in seiner
Umwelt bestimmen. Befunde der bildgebenden Hirnforschung zur Neurobiologie
von Bewusstsein, Schmerz und Nozizeption wurden soziologischen
und psychologischen Themen, wie Schmerz und Belohnung, Schmerz
und Lust, Schmerz und Persönlichkeit gegenübergestellt,
ergänzt durch Fragen zur Schmerzlinderung beim Sterben. Entsprechend
kommen Experten aus der Grundlagenforschung, der Physiologie,
Psychologie, Soziologie, Psychiatrie, Anästhesiologie, ebenso
zu Wort wie hervorragende Vertreter der Medizinpolitik und der
Literatur.